Ernährungsbedingte Wachstumsstörungen bei der Aufzucht großer Rassen wurden reduziert durch die Verfügbarkeit gut ausbilanzierter Alleinfutter und die Möglichkeit Rationen bedarfsgerecht zu gestalten. Dazu beigetragen hat auch das wachsende Bewusstsein der Tierhalter für die möglichen Folgen bei Ernährungsfehlern.1
Doch auch wenn beim Welpenbesitzer Grundkenntnisse vorhanden sind und Alleinfutter alle nötigen Nährstoffe enthalten, ist die Aufzucht eines großwüchsigen Welpen nach wie vor anspruchsvoll. Zu wissen, dass man Welpen großer Rassen idealerweise konsequent mit einem geeigneten Alleinfutter restriktiv füttern sollte, reicht nicht aus, um Fütterungsfehler zu vermeiden.
Während sich kleinere Rassen relativ gleichmäßig entwickeln, zeigen Großrassen tückische Wachstumsschübe und entwickeln sich deutlich langsamer. Fehleinschätzungen und Fütterungsfehler können daher bei ihnen viel eher und über einen längeren Zeitraum vorkommen. Kompetente individuelle Beratung und Begleitung in der Zeit bis zum Erreichen des Endgewichtes ist nach wie vor bei diesen Rassen besonders wichtig und fördert zudem die Kundenbindung.
Gewichtsentwicklung im Vergleich
Zwerg-Rassen wie der Chihuahua werden mit einem durchschnittlichen Geburtsgewicht von ca. 140 g geboren. Sie sind mit ca. 8 Monaten ausgewachsen. Ihr Endgewicht von ca. 2500 g liegt ca. 20 x höher als ihr Geburtsgewicht.
Der Mensch wiegt bei der Geburt durchschnittlich 3250g. Bis er sein gut 20 x höheres Endgewicht von 65-70 kg erreicht, lässt er sich ganze 18 Jahre Zeit.
Eine Deutsche Dogge benötigt zu Ihrer körperlichen Entwicklung von einem Geburtsgewicht von ca. 700g zu einem Erwachsenengewicht von ca. 70 kg nur gute 18 Monate. Das Erwachsenengewicht ist damit sagenhafte 100 x höher als das Geburtsgewicht. Diese enorme Wachstumsleistung macht besonders große Hunderassen anfällig für ernährungsbedingte Wachstumsstörungen wie beispielsweise Osteochondrosis Dissecans (OCD), Hüftgelenksdysplasie (HD) und Fehlstellungen.2 Die Folgen können chronische Lahmheiten und dauerhafte Gelenksmissbildungen sein, die nicht selten trotz bestmöglicher Behandlung die Lebensqualität erheblich einschränken und die Lebenserwartung deutlich herabsetzen.
Risiko Überversorgung
Die größten Gefahren gehen von einer Überversorgung mit Energie und einer unausgewogenen Calcium-Phosphor-Versorgung aus. Dank einer erfreulichen Auswahl geeigneter Alleinfutter ist heutzutage die Versorgung mit Calcium und Phosphor meist nur noch problematisch, wenn selbst zusammengestellte Rationen (ohne vorherige Rationsüberprüfung) verwendet werden.
Überversorgungen sind dagegen nach wie vor ein großes Thema. Schon bei einem Gewicht, das nur wenig über der erwarteten Gewichtsentwicklung liegt, steigt das Risiko für Wachstumsstörungen bei Großrassen gravierend. So konnten bei einer Untersuchung zu schnell gewachsener Junghunde mit einem nur um 10% zu hohen Gewicht (oberhalb der Wachstumskurve) bei 70% der Tiere Skeletterkrankungen nachgewiesen werden.3 Ist der Welpen für sein Alter bereits zu schwer, wird in der Regel automatisch dies zu hohe Gewicht anstelle des Idealgewichtes als Anhaltspunkt für die Berechnung der Tagesfuttermenge herangezogen. Ein Teufelskreis beginnt. Und das nicht nur bei Großrassen: auch bei kleineren Rassen ist bereits in der Zeit des Wachstums eine möglichst genau an den Bedarf angepasste und optimal ausgewogene Fütterung sehr wichtig. Nicht wenige Junghunde weisen bereits Übergewicht auf, noch bevor sie ausgewachsen sind.
Wachstumsschübe
Tückisch sind die in den ersten 6 Lebensmonaten besonders bei Großrassen auftretenden intensivsten Wachstumsschübe. Die sich daraus ergebende uneinheitliche Gewichtsentwicklung führt beim Halter sehr leicht zu Fehleinschätzungen bei der Fütterung.
Die vermeidlich nötige deutliche Erhöhung der Futtermenge führt dann zu einer Überversorgung. Statt einem fühlbaren Fettpolster an Rippen und Brustbein, ist gerade bei Großrassen die Folge oft ein forciertes Größenwachstum.3,4 Das Endgewicht wird schneller erreicht. Die für das zu rasche Wachstum ursächliche Überversorgung ist für den Halter meist schwierig zu erkennen, da die Junghunde schlank bleiben.
Nichtsdestotrotz ist die routinemäßige Überprüfung des Ernährungszustandes mittels der Kontrolle der Körpersilhouette und Betasten der Knochenvorsprünge (Body Condition Scoring) während des Wachstums ein ebenso wichtiger Anhaltspunkt zur Beurteilung des tatsächlichen Energiebedarfs wie die Kontrolle der Entwicklung des Körpergewichtes.
Altersgerechter Entwicklungszustand und Idealgewicht
Für einen Welpenbesitzer ist ohne sachkundige Hilfe nur sehr schwer einschätzbar, ob sein Welpe sich tatsächlich altersgerecht entwickelt und ob er ein für sein Alter und seinen Entwicklungszustand passendes Gewicht hat. Die idealen Hilfsmittel, um ihn zu unterstützen sind neben regelmäßigem Wiegen und Body Condition Scoring (BCS) die rassetypische Wachstumskurven, Gewichtstabellen und brauchbare Fütterungsanweisungen usw. Leider stellen nur sehr wenige Züchter den neuen Besitzern ihrer Welpen entsprechende detaillierte Informationen zur Verfügung.
Es ist daher empfehlenswert Haltern großer Junghunde vorausschauend proaktiv seine fachliche Hilfestellung anzubieten. Regelmäßige Check-Up-Termine (in Anfangs kürzeren Abständen von 2 Wochen) bieten die Gelegenheit den Hund ohne großen Aufwand zu wiegen und den Ernährungszustand zu überprüfen. Es können offene Fragen des Tierhalters aufgegriffen und die aktuelle Fütterung kontrolliert sowie die Gewichtsentwicklung mit der rassetypischen Wachstumskurve verglichen werden.4 Nicht selten variieren Hundehalter die Fütterung und verwenden plötzlich andere Produkte, Kauartikel und Belohnungen. Was vorher völlig passend war, kann dann eine erneute Rationsüberprüfung und Anpassung nötig machen.
Hilfsmittel Wachstumskurve
Das Alter des Welpen oder Junghundes und sein Idealgewicht in der jeweiligen Wachstumsphase sind die Grundlage zur Ermittlung der optimalen individuellen Futtermenge. Orientiert man sich am Idealgewicht des gleichgeschlechtlichen Elterntieres, so lässt sich in der Regel relativ einfach eine für den Welpen passende Wachstumskurve ermitteln. In diese sollte anfangs wöchentlich das Gewicht des Junghundes eingetragen werden. So lässt sich gut erkennen, ob die Gewichtsentwicklung einigermaßen parallel dem Verlauf der Eltern-Kurve entspricht oder diese unter- oder überschreitet.
Um das Gewicht für eine optimale Bewertung der Wachstumsintensität möglichst exakt ermitteln zu können, sollte der Hund am besten am gleichen Wochentag zur gleichen Zeit unter den gleichen Bedingungen (z.B. vor dem Füttern und vor dem Gassigehen, ohne Halsband) mit derselben Waage gewogen werden.
Die passende Futtermenge
Am unkompliziertesten ist die Fütterung eines ausgewogenen, für Welpen konzipierten Alleinfutters. Bei Junghunden großer Rassen ist es allerdings empfehlenswert sich zur Vermeidung von Überversorgungen und zu raschem Wachstum bei der Futtermengenzuteilung besser an der individuellen Wachstumskurve des Junghundes als an Bedarfszahlen und Futtermengenempfehlungen der Hersteller zu orientieren.3
Wird in größeren Anteilen Nassfutter, Frischfleisch oder Selbstgekochtes als Abwechslung zusätzlich zum Alleinfutter angeboten oder gar ausschließlich selbst zusammengestellte Rationen verwendet, ist eine individuelle Rationsberechnung durch einen Spezialisten unerlässlich.
Bei Rohfütterung müssen die Rationen innerhalb der ersten 12 Monate regelmäßig mittels eines Rationsrechners überprüft und angepasst werden.5 Klassische Barf-Rationen decken den Bedarf eines wachsenden Hundes nicht und müssen passend supplimentiert werden.4 Darüber hinaus weisen auch die zur Rohfütterung gerne verwendeten „Barf-Komplettmenues“ überwiegend erhebliche Mängel bei der Nährstoffversorgung auf.5
Auch bei der Verwendung von Belohnungen, Kauartikeln oder Nassfutter zusätzlich zum Alleinfutter gibt es nicht selten Verständnisprobleme: Es wird entweder schlicht vergessen die Ration an Trockenalleinfutter entsprechend zu kürzen oder die zu kürzende Menge falsch eingeschätzt.
Bei einem fast 30 kg schweren Junghund mit 4 Monaten werden von vielen Tierhaltern schon einmal ein oder zwei Wiener Würstchen und Hartkäse als Belohnung beim täglichen Training im Verhältnis zur Hundegröße als akzeptabel empfunden. Gibt es dann noch zu Hause regelmäßig zusätzlich zum Alleinfutter ein kleines Stück Ochsenziemer damit der Welpe brav in seiner Box bleibt, wird dadurch allerdings allein der Energiebedarf schnell um nahezu 30% überschritten. Ein Fehler, der auf Dauer fatale Folgen hat.
Dazu hält sich hartnäckig der Glaube, dass die Futtermenge im Wachstum immer weiter gesteigert werden muss, weil der große Junghund sein Endgewicht erst mit ca. 18 -24 Monaten erreicht.3
Allerdings wachsen Groß- und Riesenrassen nur in den ersten Lebensmonaten extrem. Bereits mit ca. 6 Monaten bringen sie ca. 50%, weitere 6 Monate später - mit einem Jahr - ca. 80% ihres späteren Gewichtes auf die Waage.4
Die Wachstumsintensität nimmt mit zunehmender Körperentwicklung deutlich und kontinuierlich abnimmt. Ab dem 7. Monat steigt der Bedarf daher nicht mehr nennenswert und sinkt nach dem 9. Monate langsam. Nach etwa 18 Monaten beginnt sich der für die Entwicklung und das Körperwachstum benötigte höhere Bedarf langsam auf das deutlich niedrigere Niveau des Erhaltungsbedarfs eines adulten großen Hundes einzupendeln.
Entwicklung der Futtermenge bei Verwendung von Trockenalleinfutter für einen Doggenwelpen mit einem Endgewicht von ca. 70 kg
Fazit
Bei der Aufzucht großwüchsiger Hunderassen ist der Hundehalter auch heute noch oft überfordert. Durch fachliche Beratung und regelmäßige Check-Ups kann sichergestellt werden, dass ein geeignetes Futter in angemessener Futtermenge verwendet wird und so eine möglichst optimale Wachstumsentwicklung ermöglicht wird.
Quellen:
1 Klein C. et al. Recommended and actual growth of privately owned puppies – ESVCN 2019
2 Meyer H., Zentek J. Ernährung des Hundes, Stuttgart; Enke 2018
3 Becker N. et al. Fütterung von Junghunden – die häufigsten Fehler und wie sie vermieden werden können – KleintierKonkret 2013; 2
4 Rückert C., Vervuert I. Fütterung heranwachsender Hunde großer Rassen – KleintierKonkret, 2015; 2; 3-8
5 Kölle P. et al. Biologisch Artgerechte Rohfütterung des Hundes – Tierärztliche Praxis Kleintiere, 2015; 6; 409-419